Schwarzwildgatter
Wenn ich auf der einen Seite befürworte, den Hund vor der Prüfung auf der Hasenspur einzujagen, liegt der Gedanke nahe, unsere vierbeinigen Jagdhelfer in jungen Jahren gezielt am Schwarzwild für die raue Jagdpraxis vorzubereiten!
Inzwischen ist es so, dass eine Reihe von Schwarzwildgattern im Lande eingerichtet wurden. Unter fachkundiger Aufsicht werden den Belangen von Tierschutz, Jagdethik und natürlich den Anforderungen an unsere Hunde Rechnung getragen. Es stehen meistens Sauen unterschiedlicher Altersgruppen und Gewichtsklassen zur Verfügung. Entsprechend dazu werden unsere Hunde alterskonform an die schwarzen oder braunen Gesellen herangeführt. Auch die individuellen „Schärfegrade“ unserer Hunde können berücksichtigt werden.
Es bedarf viel an Erfahrung und Fingerspitzengefühl des vor Ort agierenden Fachpersonals so mit Mensch und Tier umzugehen, dass zum einen das Tier – ob Sau oder Hund – nicht zu Schaden, zum anderen aber auch der angereiste Hundeführer auf seine Kosten kommt. Letzterer ist nicht selten enttäuscht, da natürlich bei dieser direkten Konfrontation – sozusagen von Angesicht zu Angesicht – manch einer unserer Hunde im wahrsten Sinne „den Schwanz einkneift“. Auch hat der eine oder andere Hundemann eine Renaissance der Kampfhundarenen aus dem Mittelalter vor Augen. Diesen Vorstellungen dürfen, können und wollen die Betreiber der Schwarzwildgatter nicht Rechnung tragen.
Die Bewegung mancher Hundeführer in Richtung Schwarzwildgatter liegt im Trend. Um mitreden zu können, habe ich mich vor Ort umgesehen. Weitere Besuche kann ich mir aber verkneifen, da ein großer Teil der von mir eingesetzten Hunde spätestens im Alter von drei bis vier Jahren immer am Schwarzwild gejagt hat – ohne im Gatter trainiert worden zu sein. Allerdings kommen meine Hunde auch ca. zwanzig mal im Jahr über das Drückjagdgeschehen mit Schwarzwild in Berührung. Dieses „Learning by Doing“ geht sukzessiv vor sich, also Schritt für Schritt. Bei gattererprobten Hunden laufen wir Gefahr, dass diese – übermotiviert - unter Umständen in der freien Wildbahn blindwütig ins offene Messer laufen. Ein Gatter unterscheidet sich zudem dramatisch von der rauen Wirklichkeit in unseren Wäldern. - Wenn ich einen Bootsführerschein auf dem Nordostseekanal mache, garantiert das keine Hochseetauglichkeit! -
Jeder Hundebesitzer muss entscheiden, ob Aufwand (Kosten) und Nutzen für sich zu rechtfertigen sind. Die wenigsten haben kurze Anfahrtswege, und eine in der Regel sinnvolle Übernachtung – um mit dem Hund an mehreren Tagen zu üben – kann auch kostenmäßig entsprechend zu Buche schlagen. Sollte das Ziel der Harz sein, könnte man ja eine Wandertour oder eine Wellnesseinlage für die Dame des Hauses einschieben – sie darf sich an den Griffen des Masseurs, er an der Griffigkeit seines Hundes erfreuen. Unsere persönliche CO ² - Bilanz sieht dann sofort gleich viel rosiger aus – können wir sie doch gleichzeitig auf Hundeausbildung, Wochendurlaub und Förderung der Familienidylle verbuchen.
Unsere Wachtelhunde sollten immer Wesen mit intelligenter Schärfe bleiben. Die Tunnelsysteme eines Brombeerverhau´ s gleichen unbeleuchteten U – Bahnröhren. Würden wir diese wohl betreten, wenn wir damit rechnen können, „bis an die Zähne bewaffneten“ Monstern zu begegnen, die ein Mehrfaches unseres Körpergewichtes haben? Da muss man schon ein auf Terrier - Maß reduziertes Gehirn haben, um fröhlich nach vorne zu streben.
„Wer Wolfsköpfe haben will muss Hundsköpfe dransetzen?“ Das galt in vergangenen Zeiten für die Massenware Hund. Meine Rasse (- meine Hunde -) ist mir dafür zu schade. Mit verwundeten oder gar getöteten Soldaten lassen sich außerdem keine Schlachten gewinnen. Den veränderten Verhältnissen – hohe Schwarzwildbestände und offensichtlich aggressiveres Schwarzwild, größere Dickungskomplexe und Brombeerwüsten – muss Rechnung getragen werden. Ausufernde Bestände einer Schalenwildart, die in Populationsdynamik und Anpassungsfähigkeit nicht zu toppen ist, gilt es Paroli zu bieten: Verschärfung der Bejagungsintervalle, Überdenken der Hegerichtlinien, Änderung der Bejagungsmethoden, rigorose Beschränkung unnatürlicher Nahrungsangebote. Viel Schwarzwild bedeutet: Hohe jagdgesellschaftliche Reputation, willkommene Jagdeinahmen, Jagdvergnügen und viel Wildbret. Dagegen stehen: Große Schäden in der Landwirtschaft, Gefährdung der infrastrukturellen Gegebenheiten (Straßenverkehr, innerörtliche Einrichtungen), Seuchengefahr (Schweinepest, afrikanische Schweinepest, Aujeszkysche Krankheit), Gefährdung oder auch Verlust unserer unverzichtbaren, aber nicht beliebig reproduzierbaren vierbeinigen Jagdhelfer.
Ornithologen sind sich darüber einig, dass gewisse Vogelarten in der Lage sind, sich innerhalb von einhundert Generationen genetisch, z.B. in Sachen Morphologie, umzustellen bzw. anzupassen. Könnte das beim Schwarzwild auch so vonstattengehen? Lernt nicht der Frischling von der Bache, sich solange wie möglich im Verhau zu drücken, ja, zu wehren, um damit der Erlegung zu entgehen? Findet nicht bereits eine genetische Anpassung dadurch statt, dass diese Art von Überlebenden sich weitervermehrt? Mit der „Fruchtfolge“ unserer „Piepmätze“ kann das Schwarzwild ohnehin mithalten. Zwei Generationen im Jahr und entsprechende „Folgebruten“ sind keine Seltenheiten!
Genau so wenig wie jemand das Schwarzwild ausrotten will, dürfen wir es zulassen, dass es die Bühne – und damit auch unsere Hunde - beherrscht. Unsere vielseitige Hunderasse ist zu schade, um sie (im übertragenen Sinne) den Schweinen zum Fraß vorzuwerfen. Schwarzwildgatter können ein Weg zu gut trainierten Hunden sein, sie bergen aber auch Gefahren und tragen nicht zur Lösung grundsätzlicher Probleme mit dieser Wildart bei!