Artikel Wild und Hund Nr. 24/ 2000

 

Radikales Umdenken notwendig?

 

-       zur Zucht von Jagdgebrauchshunden (Karl - Heinz Strohmeyer) *

 

Meine Eltern teilten nicht meine glühende Sehnsucht nach einem eigenen Hund. Nein, es durfte keiner ins Haus. Sie kamen mir allerdings entgegen und schenkten mir ein Mutterschaf mit Schaflamm. Zur gezielten Vermehrung dieser Tiere zog ich einmal im Jahr quer durchs ganze Dorf zum Bock, wo meine Schafe für vierzehn Tage blieben, um danach wieder ihrer Pflicht als Rasenmäher nachzukommen und im Frühjahr zu lammen. Der mir damals ernsthaft gegebene Rat: „Man kann ruhig einmal den Sohn auf die Mutter setzen!" prägte meine ersten Erfahrungen als „Züchter“.

 

Ein für mich glücklicher Zufall ergab, dass sich Nachbarn einen Münsterländer - Rüden zulegten, mit dessen jagdlicher Abrichtung sie überhaupt nicht zu Recht gekommen waren. „Mit dem Hund ist nichts zu machen", hieß es. Ich durfte mein Gluck versuchen und es gelang mir, diesen Rüden durch ausgedehnte Spaziergänge, ausgelassenes Toben und erste Ausbildungsversuche derart auf mich zu prägen, dass wir Mut machende Fortschritte erzielten. Auf meinem langen Weg zum Außenbeamten im Forstdienst hatte ich danach immer wieder Gelegenheit, Hunde zu führen und auch auszubilden, so dass ich in eineinhalb Jahrzehnten mit fast allen gängigen Jagdhunderassen Kontakt hatte.

 

Nachdem ich von Freunden in nächtelanger Überzeugungsarbeit zu einem wieder angeblich nicht führbaren einjährigen Wachtelhundrüden überredet wurde, war der Grundstock für zwei Jahrzehnte intensivster Hundearbeit mit dieser Jagdhundrasse gelegt. Heute mit knapp 50 Jahren habe ich etwa 15 DW ausgebildet und auf wohl 30 Prüfungen vorgestellt. An parallel geführten drei Teckelrüden habe ich mir allerdings die Zähne ausgebissen und bin letztendlich gescheitert.

 

Viele Fehler hätte ich durch das Studium guter Fachliteratur vermeiden können. Andererseits hat mich die autodidaktische Verhaltensweise als Hundeführer stark ausreifen lassen, so dass ich mir fast jede Problemlösung zutraue, vorausgesetzt der Hund hat ein intaktes Wesen. Und genau diese Wesensart des Tieres Hund hat es zugelassen, dass ich anfangs als unerfahrener Hundefanatiker, später als temperamentvoller, ehrgeiziger und damit häufig auch ungerechter, über- und falschreagierender Hundeführer zu einigem Erfolg gekommen bin: Alle meine Hunde haben mir immer wieder fast alles verziehen.

 

Die Zusammenarbeit mit den Wachtelhunden faszinierte mich immer mehr. Auf der einen Seite ist der Deutsche Wachtel ein Jagdgebrauchshund, den man sehr gut konventionell ausbilden und einsetzen kann. Auf der anderen Seite kommt der Trend zu großräumigen Bewegungsjagden den Anlagen dieser Rasse entgegen. Hier ist der Wachtel in seinem Element, hier liegt sein „Fachgebiet".

 

Nach dem Motto „Dumm züchtet gut", bin ich unbedarft in den Zuchtbetrieb mit Wachtelhunden eingestiegen. Dank meines „Materials", ein Ergebnis von fast 100 Jahren Leistungszucht im Verband, schien ich bestens gerüstet. Mit dem berühmten Anfängerglück lief auch alles über Jahre komplikationslos. Anders als bei der Ausbildung meiner Hunde beschlich mich aber immer häufiger das ungewisse Gefühl, auf diesem Gebiet als Autodidakt schnell scheitern zu können. Ich fing an, mich zu informieren und zu belesen, wobei mir meine häufigen Berührungspunkte mit der Fachrichtung „Biologie" im Rahmen meiner Berufsausbildung und -ausübung entgegenkam. Heute, nachdem ich 19 DW - Würfe gezogen habe, bin ich zu folgender Einstellung gekommen: Es bedarf von Seiten des Züchters wichtiger Grundkenntnisse um die Vorgänge in der Wurfkiste. Die Einstellung „Die Natur wird schon alles regeln“ ist aus ethischen Gründen nicht zu rechtfertigen und kommt einige hundert Jahre zu spät. Der Mensch hat es aus nachzuvollziehenden Gründen nicht zugelassen, dass die Natur ihre Selektion in der Wurfkiste fortsetzt. Anders als in der freien Wildbahn, wo das gebärende Tier unweigerlich eingeht, wenn es den Nachwuchs nicht „herausbringt", wurde der Hundemutter soweit es das medizinische Wissen und die Technik der jeweiligen Zeit zuließen immer schon geholfen! ---

 

 

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