Hallo Herr Strohmeyer,

 

leider hat Fritz seine sonst sehr weiße Weste mit einem tiefschwarzen Fleck beschmutzt und ein Reh angeschnitten.

 

Die Situation war folgende:

Ich hatte ihn morgens vor der Jagd nicht gefüttert, normalerweise erhält er spätestens 2h vorher ca. ein Viertel seiner Tagesration.

 

Im Treiben von 3 Stunden hat mein Standnachbar relativ am Anfang ein Kitz geschossen. Nach seiner Aussage hat Fritz das Reh ca. 2 Stunden lang entweder vollkommen ignoriert oder kurz beschnüffelt, ist das aber weitergelaufen. Ca. eine halbe Stunde vor Schluss ist er dann zum Stück zurückgekommen und hat begonnen, dieses anzuschneiden. Der Schütze selber hat sich zunächst nicht getraut, den Stand zu verlassen und hat erst nach einiger Zeit und Rückversicherung beim Ansteller versucht das Reh in Besitz zu nehmen. Dies wurde von Fritz mit Knurren quittiert. Der Schütze hat dann mit einem Stock eine Schnur um das Reh befestigt und es auf seinen Stand gezogen, während der Fritz noch dranhing. Als er das Stück nicht mehr erreichen konnte, ist Fritz zu meinem Stand zurückgekommen.

 

Nach Ende habe ich das Stück noch einmal in Fritz Nähe abgelegt und mich entfernt. Er hat kurz gezögert und wollte dann wieder ans Stück, ich habe ihm dann meinen Schlüsselbund auf den Köper verpasst und ihm ein paar hinter die Löffel gegeben. Da der Lerneffekt nicht sofort eingetreten ist und er auf dem Weg zum Auto noch einmal ans Stück wollte, habe ich ihm noch eins mit Leine übergezogen.

 

Nun zur Frage: Haben Sie irgendwelche Tips, wie man dieses Verhalten unterbinden bzw. verhindern kann?

 

Ich habe darüber nachgedacht, Fritz lieber für die letzte halbe/dreiviertel Stunde anzuleinen, um die Langeweile zu verhindern.

Mit freundlichem Gruß

 

...

 

Hallo Herr ...,

 

danke für Ihre Nachfrage!

 

Grundsätzlich: Die Teilnahme unserer Hunde als Solojäger anlässlich einer großangelegten Bewegungsjagd verlangt ihnen umfassende Leistungen ab. Sie müssen konditionell gut aufgestellt sein, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Insofern rechtfertigen sich auch die Vergleiche mit Marathonläufern oder Schlittenhunden. Der Kalorienbedarf ist logischer Weise enorm. Es bedarf vor der Saison eines gezielten Bewegungstrainings, kombiniert mit einer deutlich ansteigenden Energiezufuhr, die in der Jagdzeit aufrechterhalten werden muss.

Da der Zeitraum von zwei bis drei Stunden überschaubar ist, halte ich nichts davon, den Hund vor dem Einsatz, also morgens, zu füttern. Wölfe jagen auch mit leerem Magen! Pfiffiger scheint es mir, dem vierbeinigen Jäger - sollte er die Güte haben, zwischenzeitlich zum Stand zurückzukehren - gehaltvolles, attraktives Futter anzubieten.

Ansonsten liegt doch für unseren Hund nichts näher, als sich nach hartem Einsatz an der aus seiner Sicht erjagten Beute zu bedienen! Nichts anderes passiert übrigens bei den Parforcejagden (Schleppjagden) zu Pferde, bei der die Meute am Ende mit dem stinkenden Pansen belohnt wird, dessen Tropffährte sie über große Distanz folgen durfte. So bekommt das von uns geforderte Instinktverhalten seine gerechte Belohnung.

 

Bei den Schweißhunden kursiert übrigens der Spruch: „Es ist der Anschneider, der sicher zum Stück findet“!

 

Wenn es nicht zu einer unerwünschten, zwingend zu vermeidenden Wertminderung unseres Wildbrets käme, wäre es unseren vierbeinigen Leistungsträgern zu gönnen, wenn ihr Erfolg entsprechend gekrönt werden könnte.  

 

Wie kann man dem Anschneiden entgegenwirken?

 

Unsere Hunde müssen vortrainiert werden! Jedes über den Ansitz erlegte Wild wird dem Hund angeboten: Er darf es kurz beuteln (dabei auf den erwünschten Kehlgriff achten!), bewinden, beim Aufbrechen zuschauen („Genossenmachen“, das heißt, Beute aus der Hand des Führers anbieten), um das Wild schließlich als „no go“ anzusehen! Jeder weitere Kontakt muss dann u.U. mit sehr scharfem Kommando unterbunden werden. Mit dem lauten Zuruf bereite ich den Hund darauf vor, dass auf den Gesellschaftsjagen ein naher Standschütze den Hund erfolgreich abrufen kann.

 

Verschärftes Training: Auf meinem Grundstück lasse ich den Hund mit dem erlegten, aufgebrochenen Stück „alleine“! Aus verdeckter Position beobachte ich, ob er sich bedienen will, um dann direkt, möglichst eindrucksvoll, einzugreifen.

 

Wenn zwei Individuen gleich welcher Art sich um Futter, bzw. Beute streiten, geht es häufig brutal zu. Führen wir uns Wölfe, Löwen oder vielleicht auch Spatzen im Futterhäuschen vor Augen! Insofern sollte es auch unserem Vierbeiner klar werden, dass es sich um unsere Beute handelt und er sich möglichererweise größeres Ungemach einhandelt!

 

Es wird immer den Typ Hund geben, der zum Anschneiden neigt. Vielleicht ist es auch eine Lösung, den Hund immer mal wieder, zum Beispiel mit frischem Pansen, zu füttern, um damit einem Heißhunger auf etwas Frisches vorzubeugen. U.U. kann aber eine solche Fütterung auch zum verschärften Anschneiden führen.

 

Es regen sich nicht selten die Jäger über das Anschneiden auf, die selber keinen Hund führen. Dieser Typ „Besserwisser“ braucht eine klare Ansage: Unser Bedauern muss glaubhaft sein und gleichzeitig ausdrücken: „Nicht besser wissen, sondern besser machen“.

Ansonsten sind alle Schützen aufgefordert, sich akustisch einzuschalten, um Schaden zu verhindern! Wehret dabei den Anfängen: Das Zupfen am Ein- oder Ausschuß kann schnell zum Reißen am Waidloch führen, was schnell mit dem Ruin der Keulen einhergeht!

 

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