Historie im Zwinger zum Waldläufer
Tito vom Thännle
Ende der siebziger Jahre machten sich zwei Freunde – Thomas Engell und Uwe Meierjürgen - Gedanken über einen jungen Wachtelrüden, der offensichtlich „suboptimal“ untergebracht war. Uwe Meierjürgen war Züchter im Zwinger „vom Tännle“ und hatte diesen Rüden ein Jahr vorher gezogen. Jetzt kamen Infor-mationen, dass „Tito vom Thännle“ seinem jungen Besitzer nur Probleme bereite. Thomas Engell, seit 1974 mit mir als ebenfalls jungen Forstbeamten befreundet, hatte bisher erfolglos versucht, mich vom Terrier auf einen Wachtel umzupolen. „Alles, nur keinen Wachtel“ – so war damals meine „Denke“, der ich auch immer freudig Ausdruck gab. Nun, so ein Sozialfall wie der Tito, verbunden mit der Ausdruckskraft und dem Überzeugungsvermögen eines Thomas Engell, erweichte mein Herz, so dass es schließlich zur Übergabe kam!
Es sollten schwere Zeiten auf mich zu kommen. Macht man sich heute Gedanken über neue Antriebssysteme, dieser Rüde hatte eines!
Ein Lamm an der Leine, ein Teddy im Haus, der ideale Begleiter in der Stadt! Alles easy! Aber wehe, er war im Gelände, los von der Leine und mehr als drei Meter von seinem Führer weg: uneinholbar,
uneinfangbar, unbeeinflussbar – schließlich, nach immer fast exakt zwei Stunden, auf den Zentimeter genau am Ausgangspunkt zurück: „So, da bin ich wieder, für den Moment reicht es mir!“ (Wir nannten
dieses Erscheinungsbild „Düsen“!) Dieses „Düsen“ kündigt sich durch hochkonzentrierte, gestraffte und geduckte Körperhaltung des Hundes an – „er ist dann mal weg“, wie vom Bogen geschnellt –
uneinholbar, uneinfangbar, unbeeinflussbar! (Kenner glauben am Gesicht des Hundes den Ausdruck zu erkennen: Ihr könnt mich alle mal!).
Ich war damals sehr gut auf den Läufen und entwickelte - dank meiner Schnellig- keit- ein System, den Rüden abzufangen. Seine
ersten Runden sahen immer ähnlich aus. In erster Linie ging es bei ihm um seinen unersättlichen Bewegungs-drang, der sich in schematischen, immer größer werdenden – berechenbaren - Runden
kompensierte, die ihm dann immer öfter auch Wildkontakt bescherten. Diese Fähigkeiten baute er aus, so dass er einer der großartigsten Stöberer seiner Zeit wurde.
Für die Jugendprüfungen zu alt, stellte ich ihn auf Eignungs- und Gebrauchs-prüfung gut vor. Hasenspur erledigte er in der Form, als hätte er den Verlauf der Spur fotografisch abgespeichert. Da er dabei den Kopf kaum runternahm, schien er die Nase gar nicht einzusetzen! Er lief nicht auf der Spur – er flog dahin!!
Meine Unerfahrenheit kostete dann später auf der GP einen halben Punkt auf der Schweißfährte, sonst wäre es ein 1. Preis gewesen!
Leider verunglückte Tito sehr früh. Eine ausgekugelte Hüfte wurde falsch diagnostiziert und noch falscher behandelt. Dank des massiven Einfluss von Thomas Engell wurde der Rüde rechtzeitig – vorher - auf HD geröngt, eine ganz wichtige Voraussetzung, ihn später – trotz der Verletzung – zur Zucht einzusetzen.
Viele Jahre war er auf den damals neuzeitlichen Bewegungsjagden eine feste Bank – ähnlich im Deckgeschäft: Er erledigte diese Dinge auf drei Beinen, besser als viele seiner Artgenossen auf vieren! So brachte er es auf 67 Nachkommen. Eine ähnliche Libido zeigten später auch einer sein Urenkel und einer seiner Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel: „Ernst vom Waldläufer“ sowie „Donn vom Waldläufer“! Von allen dreien wurde alles gedeckt, was läufig in die Nähe kam!
Ich schildere dieses bewusst an dieser Stelle: Als langjähriger Züchter weiß ich, wie wichtig gerade auch die Libido eines Deckrüden ist. Was nützt die tollste Hündin, die weiteste Fahrt, der zeitgenaueste Eisprung - wenn der Rüde nicht aufreiten will oder - nicht einfädeln kann!!!
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