Ich  meine, das ist ein Pakt mit dem Teufel! Statt dem natürlichen Ausmerzen nicht lebensfähiger Veranlagungen, wird die „Überlebenshilfe" gefördert und weitervererbt. Jeder Hundezüchter muss sich davon frei machen, dass diese Schraube sich problemlos zurückdrehen lässt. Eine Weiterentwicklung ließe sich stoppen, indem zum Beispiel jede Hündin mit primärer und sekundärer Wehenschwäche aus der Zucht genommen wird. Selbstverständlich gilt das auch für den Nachwuchs und zumindest die nahen Verwandten. So kann man Erbkrankheiten, und um nichts anderes geht es hier, wirkungsvoll bekämpfen. Was würde dann wohl nach zehn Jahren der Zucht noch zur Verfügung stehen? Eine andere Möglichkeit, besonders den Erbkrankheiten, die sich auf die Hormonproduktion auswirken, Einhalt zu gebieten, ist die konsequente Aus - Zucht, auf die ich noch eingehen werde.

 

Anders als bei der Ausbildung und Führung wird also unter Umständen beim Hundezüchter ein Fehlverhalten, das schon in einem „Unterlassen" bestehen kann, bestraft, nicht selten mit dem Tod der Welpen und schlimmstenfalls der Mutterhündin. Deshalb hat der Züchter also in der Technik der Hundezucht eine ungeheure Verantwortung, der er nur gerecht wird, indem er sich so gut wie möglich auf seine selbstgestellte Aufgabe vorbereitet. Auch der Zuchtverband muss seiner ethischen Verpflichtung nachkommen, indem er den unerfahrenen Züchter so lange wie nötig begleitet, ja auf die Finger schaut. Besser „wir" regulieren, kontrollieren und helfen uns selbst, als dass der ohnehin schon aufgeschreckte Gesetzgeber hier entsprechende Vorgaben abfordert. Wer einen Welpen nur dadurch verloren hat, dass die umlaufende Schutzleiste in der Wurfkiste fehlte, weiß was ich meine. Auf keinen Fall möchte ich aber den Eindruck erwecken, dass es gilt, jeden noch so kümmernden oder verkümmerten Welpen am Leben zu erhalten! Wäre es aber nicht wichtig, erkennen zu lernen, ob ein Welpe überlebensfähig ist oder nicht?

 

Genauso wichtig wie die Technik der Hundezucht ist das Wissen um die Genetik, vor allem über die Populationsgenetik. In keiner dieser Richtungen bezeichne ich mich als Experten.  

 

Nicht zuletzt mit Hilfe des bekannten Gefühls „aus dem Bauch heraus" hat sich für mich folgende Erkenntnis entwickelt: Wir Züchter von Hunden mit festgelegten Leistungs- und/oder Schönheitsstandards betreiben ein verwerfliches, wenn nicht gar lästerliches Tun. Durch die fortschreitende Selektion missachten wir die natürlichen Gesetzmäßigkeiten zur Erhaltung der Erbgesundheit und damit der Überlebensfähigkeit unserer Hundepopulation.

 

Weltweit wird die Zahl der Erbkrankheiten unserer Hunde auf über 400 geschätzt Die wenigsten dieser Krankheiten sind dominant im Erbgut verankert. Haben sie dazu noch letalen Charakter, dürfte es sie gar nicht mehr geben. Wir Menschen sind aber in der Lage, eigentlich todgeweihte Tiere so zu behandeln, dass sie nicht nur weiterleben, sondern sich auch noch vererben können. Der Komplex der Krankheiten, die rezessiv im Erbgut verankert sind, ist dem gegenüber riesig. Der Vorteil dieser „Verdeckterbigkeit“ ist, dass Krankheiten nur dann auftreten, wenn beide Partner mit entsprechenden Defektgenen belastet sind. Der Nachteil ist aber mindestens so groß wie der Vorteil: Die zeitweilige Verborgenheit der rezessiven Defektgene im Individuum oder in der Population suggeriert dem Menschen über das gesunde Tier, dass „alles in Ordnung" ist. Und tatsächlich ist auch erst einmal alles in Ordnung. Der intakte dominante Gegenpart sorgt für die Unterdrückung der defekten Wirkungsweise auf diesem Genort.

 

Ist die Erbkrankheit also rezessiv vorhanden, kann sie erst dann zum Ausbruch kommen, wenn auch der Partner diese kranken Gene beherbergt. Diese Wahrscheinlichkeit der Vererbung ist umso größer, je kleiner eine Population ist (enge Zuchtbasis) und dann riesig, wenn der Partner auch noch zur Verwandtschaft gehört.

 

Aus der Sicht von Mutter Natur sind die meisten Gebrauchshunderassen winzige Inselpopulationen, bei denen es über Jahrhunderte nicht zum erforderlichen Austausch der Partner kommen konnte, um das Erbmaterial entsprechend gesund zu halten. Im Gegenteil: Der Mensch hat dieser genetischen Verarmung unfassbaren Vorschub geleistet, indem er zusätzlich „eng" gezüchtet hat, um erwünschte Merkmale zu manifestieren. Fairerweise muss man eingestehen, dass es ohne Inzucht nicht zu einer derartigen Fixierung der von uns geforderten und benötigten Leistungsmerkmale gekommen wäre. Wir haben auf der einen Seite hochspezialisierte, vierläufige Jagdgefährten gewonnen, auf der anderen Seite ihre Erbgesundheit aufs Spiel gesetzt. Das war gestern! ---

 

 

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